Der Übergang zwischen den Jahreszeiten kann immer eine kleine Herausforderung für uns sein: Im Frühjahr verschleimt und müde und im Herbst energielos, aufgebläht und ohne Appetit. Kommt dir das bekannt vor?
Manchmal kann es hilfreich sein, wenn wir unserem Körper eine kleine Auszeit gönnen. Hierzulande finden sich unzählige verschiedene Programme zum Fasten und Detoxen und an jeder Ecke wird einem suggeriert, dass unser Körper dringend von irgendetwas gereinigt werden sollte: Saft-Detox, grüne Smoothies, Heilfasten oder Rohkostdiät – die Listen sind endlos. Für jeden gut, immer und überall? Eher nicht. Denn aus ayurvedischer Perspektive ist Fasten und vor allem eine verminderte Nahrungszufuhr nicht für Jeden geeignet.
Vor Jahren, bevor ich Ayurveda kennengelernt habe, habe auch ich alles mögliche mal ausprobiert – soll ja gesund sein: Heilfasten, kalte Rohkostsäfte und grüne Smoothies. Vor allem das Heilfasten hat mir gar nicht gut getan und mit den kalten Säften fühlte ich mich nur aufgebläht, nicht richtig geerdet und habe ständig von innen her gefroren.
Doch woran liegt das? Wann ist eine Fastenkur indiziert und welche Kur passt zu mir?
Fasten ist eine sehr gute Methode, um das Verdauungsfeuer wieder in Schwung zu bringen, wenn es durch zu viel Essen überlastet wurde. Auch die Verdauung benötigt Ruhephasen und kann durch zu viel Nahrung über einen längeren Zeitraum geschwächt werden. Gleichzeitig kann man das Verdauungsfeuer jedoch auch stören und schwächen, wenn man zu wenig isst. Es sollten also im Alltag beide Extreme vermieden werden, da sie das Agni stören. Ein Verzicht auf Nahrung ist also in keinem Fall für Jeden geeignet.
Als Vata-Konstitution war es also nicht weiter verwunderlich, dass ein kompletter Verzicht auf Nahrung oder der Wechsel auf kalte Rohkostsäfte meine Verdauung eher schwächten, als dass es sie stärkten. Kapha-Konstitutionen können meistens ohne Probleme fasten, während Pitta- und Vata-Konstitutionen nur kurz oder gar nicht komplett auf Nahrung verzichten sollten. Alle Schwangeren, stark Untergewichtigen oder ausgezehrten Personen sollten gar nicht Vollfasten. Teilfasten bzw. die Umstellung auf leicht verdauliche Nahrung kann auch für Personen hilfreich sein, die langfristig Gewicht aufbauen möchten, dies aber nur schwer schaffen. Denn wenn die Verdauungskraft optimiert wird, ist der Körper danach meist besser in der Lage Gewebe aufzubauen, da er die Nährstoffe aus der Nahrung dann gut verwerten kann.
Eine sanftere und für Jeden geeignete Methode ist es, den Organismus regelmäßig durch Heilnahrung zu entlasten, um das Verdauungsfeuer zu entlasten, so dass unverdaute Nahrungsmittelbestandteile verdaut werden können, der Körper entgiftet und zur Ruhe kommt.
Was ist Ama überhaupt?
Bei Ama handelt es sich um Nahrungsmittelrückstände und Verdauungsgifte an, die über die natürlichen Ausscheidungsmechanismen nicht vollständig eliminiert werden können. Im Ayurveda werden diese Rückstände Ama genannt. Ama ist der Gegenpart zu Agni, denn es ist kalt, schwer, zäh und schleimig.
Ama entsteht vor allem durch:
- die falsche Menge an Nahrung
- eine ungünstige Zusammenstellung der Nahrung (z.B. rohe, viel schwere, süße, fettige, frittierte Nahrung)
- unpassende Essgewohnheiten (z.B. zu schnell essen, unzureichend kauen)
- ein schwaches Verdauungsfeuer (Agni)
- einen unruhigen Geist
- Schlafen oder essen, bevor die letzte Mahlzeit verdaut worden ist.
Um sich von diesen Altlasten zu befreien, empfiehlt der Ayurveda gezielt Ausleitungen zu praktizieren. Denn Ama wirkt im Körper wie ein zäher Schleim, verklebt die Gewebe und Energiekanäle und beeinträchtigt langfristig ihre Funktion.
Wie du Ama erkennst
Wenn Ama vorhanden ist, ist die Verdauungskraft meist geschwächt. Folgende Anzeichen deuten auf Ama hin:
- verstärkte Müdigkeit, Lustlosigkeit, kein klarer Geist
- weißer Zungenbelag, der sich nicht mit einem Zungenschaber entfernen lässt
- Schleimiger, klebriger Stuhl (man benötigt viel Papier)
- Wenig Appetit, kein klares Hungergefühl
- Dumpfes Gefühl in der Magengegend
- Schlechter Geschmack im Mund
- evtl. Auswurf
Wie du deine Kur zu Hause durchführen kannst
Falls du das Gefühl hast, dass Stoffwechselschlacken vorhanden sind, solltest du für die Zeit der Ausleitung auf Ölanwendungen, ölige und süße Nahrung, Milchprodukte, Getreide (außer evtl. Reis) und schwer verdauliche Nahrung verzichten. Oft können wir mit einfachen Maßnahmen bereits viel erreichen. Diese kleine Kur kann dir dabei helfen, dass du dich wieder leichter und klarer fühlst, mehr Energie hast, deine Verdauung verbessert wird.
In jedem Fall gilt es das Verdauungsfeuer zu stärken, dann löst sich Ama in der Regel von alleine auf. Die klassische Therapie gegen Ama setzt sich aus a) Langhana/Fasten, b) Pachana/Verstärken des Agni und c) Lekhana/Auskratzen zusammen.
a) Langhana: Fastentage
Für deine Entlastungstage solltest du ausschließlich leicht verdauliche und anregende Nahrung zu dir nehmen und nur dann essen, wenn du echten Hunger verspürst. Ein Gericht, dass für alle Doshas geeignet ist, ist Kitchari, ein Gericht aus Mungbohnen und Reis. Ist Ama vorhanden, dürfen alle Doshas auch zu leichter Schärfe greifen – allerdings nur, bis das Ama in Auflösung ist.
Es ist wichtig, dass du auch beim Fasten auf dein vorherrschendes Dosha Rücksicht nimmst. Kitchari ist nicht nur ein gutes Gericht, da es alle essentiellen Aminosäuren abdeckt und leicht verdaulich ist, sondern auch, weil es eine gute Zusammensetzung an nährenden Zutaten (Reis) und ausleitenden Zutaten (Mungbohnen) hat. Wenn wir z.B. ausschließlich ausleitende Lebensmittel essen (z.B. grüne Gemüse, Hülsenfrüchte), dann führt das oft dazu, dass Vata erhöht ist, Blähungen oder Verstopfung entstehen, was Ama entstehen lässt – also eben jene Substanz, die wir auszuleiten versuchen. Deswegen ist es wichtig sanft (!) den Körper zu reinigen. Das funktioniert am besten, indem wir in jeder Mahlzeit nährende und ausleitende Zutaten ein einem Verhältnis von etwa 60:40 einbauen. Vatas benötigen in der Regel mehr nährende Zutaten (Reis, Möhren, Zucchini, Süßkartoffel) im Kitchari, Pittas können auch 50:50 vertragen, während Kaphas auch einen größeren Anteil an Mungbohnen gut verdauen können. Denn beachte immer: Egal wie gesund die ausleitenden Nahrungsmittel in der Theorie sind – wenn wir sie nicht gut verdauen können, dann können sie auch den Körper nicht entlasten und entgiften, sondern verstärken das Problem.
Die Gewürze kannst du doshagerecht zusammenstellen. Kaphas können tief in die Gewürzkiste greifen und alles wählen, was ihnen schmeckt. Vatas nehmen viel Asafoetida, Kreuzkümmel, Koriander, Fenchel, Nelken, Senf, Ingwer und Bockshornklee und Pittas greifen zu milderen Gewürzen wie Kreuzkümmel, Fenchel, Nelken, Koriander, frischem Ingwer und Kardamom. Bei Ama dürfen wie gesagt alle ein wenig stärker würzen. Das Kitchari solltest du immer mit einem guten Spritzer Zitronensaft würzen, da die Säure Agni anregt und der Verdauungsprozess unterstützt.
Als Agni-Appetizer kannst du hauchdünne Ingwerscheiben in ein wenig Zitronensaft und Salz marinieren und 10 Minuten vor jeder Mahlzeit ein Scheibchen kauen. Du kannst über jede deiner Speisen auch 1 TL einer Mischung aus gemahlenen Leinsamen, Zimt und Fenchel geben. Die unterstützt den Verdauungsprozess.
Morgens (8:00): Wenn kein Hunger vorhanden ist, Frühstück ausfallen lassen. Sonst gedünstete Äpfel mit Gewürzen.
Mittags (13:00): Kitchari (evtl. mit Gemüse)
Abends (18-19 Uhr): Kleines Kitchari
Den ganzen Tag über kannst du 1-2 Liter heißes Wasser oder heißen Ingwertee trinken, das unterstützt die Wirkung. Bitte vor den Mahlzeiten 1 Stunde und während der Mahlzeiten, sowie 1-2 Stunden nach den Mahlzeiten nichts trinken. Wärmebäder, trockene Saunabesuche und ayurvedische Massagen (mit wenig Öl) bringen die Lymphe wieder in den normalen Fluss und lösen die Stoffwechselschlacken.
b) Pachana: Verstärken des Agni mit Nahrungsergänzungen
Um das Agni zu stärken, kannst du unterstützend verschiedene bittere und zusammenziehende Gewürze und ayurvedische Kräuter einnehmen. Hingvastak Curna zur Steigerung des Agni für Vata, Chitrakadi Vati oder Trikatu für Vata und Kapha, Avipattikara Churna oder Triphala für Pittas.
c) Lekhana: Auskratzen
Es gibt verschiedene Mittel, um die Ablagerungen aufzulösen bzw. auszukratzen, damit der Körper in der Lage ist, diese auszuscheiden. Unter den Kräutern hat Guggulu diese Eigenschaft, aber auch ein heißes Wasser mit Zitronensaft und Waldhonig hat eine auskratzende Wirkung und kann jeden Morgen nach dem Aufstehen getrunken werden. Bitte Honig nur in den abgekühlten Tee einrühren.
Zuguter Letzt möchte ich noch einen wichtigen Aspekt ansprechen: Beim Fasten geht es nicht nur darum, den Körper von Altlasten zu befreien, sondern auch den Geist. Eine ruhige Verdauung geht oft einher mit einem ruhigen Geist und umgekehrt. Deswegen ist es sehr hilfreich, wenn du dir bewusst eine Auszeit nimmst für deine Fastentage und nicht gestresst bist. Genauso ist es enorm hilfreich, dem Körper beim Ausleiten zu unterstützen, wenn wir einen sattvischen und positiven Geist haben. Sorgen, Ängste, eine Abneigung gegen das, was wir tun und Kummer sorgen eher dafür, dass wir die Schlacken geradezu “festhalten”, da sie das Verdauungsfeuer mindern. Deswegen umarme deine Sorgen und sieh es als Zeit der Selbstfürsorge, die du dir ganz bewusst nimmst, um dir etwas Gutes zu tun. Dann folgt der Körper dem Geist und es stellen sich Erdung und gleichzeitig Leichtigkeit ein.
Alles Liebe,
Verena
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